LEOs Welt

Lebensfach Glück und Verantwortung – Leos Welt

  1. Einleitung
  2. Bedeutung von Bildung – Erziehung – Soziales Lernen
  3. Positive Psychologie
  4. Die Verbindung von Sozialem Lernen und Positiver Psychologie
  5. Altersspezifische Besonderheiten und Beziehungsarbeit
  6. Struktur und der »Rote Faden«
  7. Fußnoten

Einführung in das Programm

1. Einleitung

Die vorliegende Unterrichtsreihe im Rahmen des Lebensfachs „Glück und Verantwortung“ – für sich, für die Anderen, für die Mitwelt und Zukunft – wurde für SchülerInnen des Primarstufenbereichs entwickelt, um in Verbindung zwischen den Elementen der Positiven Psychologie und des Sozialen Lernens den Kindern Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Stärken zu entwickeln, um so eine stabiles Selbstkonzept und Selbstwirksamkeit sich erarbeiten zu können. Darüberhinaus ist es ein Weg, um zu Selbstsicherheit, Selbstverantwortung und zu sozialer Verantwortung zu gelangen. Darin besteht der wesentliche Beitrag zur seelischen Gesunderhaltung der Kinder als auch der Prozess der Übernahme von Verantwortung für sich selbst und die Klassengemeinschaft. Es bildet die Grundlage für ein soziales Miteinander in der Klassengemeinschaft, für tragfähige Beziehungen und eine harmonische Lern- und Arbeitsatmosphäre.

Das Programm bietet darüber hinaus den LehrerInnen die Möglichkeit, im Rahmen eines Einführungsseminars und einer weiterführenden regelmäßigen fachlichen und praktischen Begleitung sich inhaltlich in den curricularen Aufbau des Materials einzuarbeiten, die theoretischen Hintergründe der jeweils wissenschaftlichen Fachrichtungen zu verstehen, Selbsterfahrungen zu machen, in der Kollegialen Fallberatung den Einzelfall zu reflektieren und mit anderen KollegInnen in einen intensiven Austausch zu treten.

2. Bedeutung von Bildung – Erziehung – Soziales Lernen

Wie wir aus der fachwissenschaftlichen Literatur und auch aus unserem pädagogischen Erfahrungsschatz wissen, erfolgt die Förderung kognitiver, psychischer und sozialer Kompetenzen durch die Vermittlung positiver Bewältigungserfahrungen und ist das Ziel individueller Entwicklungsförderung.[1]

Auf dem menschlichen Lebensweg passiert «soziales Lernen» dauernd und gerade in der Institution Schule wird es praktiziert. Es ist ein lebensbegleitender Prozess, «der flexibel gestaltet wird, um auf neue Bedingungen zu reagieren»[2].

Aufgrund der veränderten Kindheit und Jugend in der heutigen Zeit ist es wesentlich, soziales Lernen systematisch zu organisieren. Deswegen ist es erforderlich bereits im Jahrgang 1 mit grundlegendem Unterricht in Selbstwahrnehmung, Gestaltung von Beziehungen, Treffen von Entscheidungen und Übernahme von Verantwortung für sich und die Klassengemeinschaft zu realisieren. Die Vermittlung positiver Erfahrungen, sich seiner Stärken bewusst werden und das Geben von Halt und Orientierung für die Kinder und Jugendlichen muss neben der Vermittlung von fachlichen Lerninhalten, Wissen und Können ebenso einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Mehr denn je wird die Institution Schule zukünftig auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendliche eingehen, um sie für das Lernen zu motivieren, was eine entspannte, harmonische Lern- und Arbeitsatmosphäre voraussetzt. Es ist wichtig, dass die Schule sich als ein Ort versteht, in dem sich SchülerInnen wohlfühlen, wo sie aktiviert und an den verschiedenen Prozessen beteiligt werden, wo die Eltern verantwortungsvoll in den Bildungs- und Erziehungsprozess und in den schulischen Gestaltungsprozess eingebunden werden und bei Bedarf auch Hilfe und Unterstützung erhalten.

Die zunehmende Heterogenität der Klassen erfordert von den Pädagogen eine Repertoire an vielfältigen Möglichkeiten des professionellen Eingehens auf die SchülerInnen. Sie benötigen Handwerkzeug für die Individualisierung des Unterrichts als auch Strategien im Umgang mit der bunten Vielfalt von Persönlichkeiten, deren Verhaltensweisen und Charaktere. Das Programm bietet den Lehrpersonen

Die OECD definiert drei Kernkompetenzen der SchülerInnen, die also für alle Bildungssysteme gelten:

  1. Selbständig handeln,
  2. Handeln in sozial heterogenen Gruppen,
  3. Nutzung von Tools (Wissen, Technologien).

Welche Bedeutung kommt nun der Förderung sozialer Kompetenzen zu?

Prof. Edelstein fasst das wie folgt zusammen:


a) Sie verbessern das Schulklima und verringern die Gewaltbereitschaft ebenso wie die tatsächlichen Gewalttätigkeiten an Schulen, einschließlich der Häufigkeit von Mobbing und sozialen Konflikten.


b) Mit demokratischer Praxis und dadurch verbessertem Schulklima steigt die Leistungsbereitschaft, nehmen das Engagement für die Schule, das Gefühl der Zugehörigkeit und das Empowerment der Schüler und in deren Folge die durchschnittlichen Leistungen. …


c) Demokratisch integrative Schulen fördern die soziale Kohäsion und binden die Außenseitergruppen, insbesondere Kinder in Armutsverhältnissen, in die Schulgemeinschaft ein. …[3]

Soziales Lernen dient dem Erwerb sozialer und emotionaler Kompetenzen, die Selbstwirksamkeit und Selbstkonzept stärken und umfasst die Entwicklung von Fähigkeiten in folgenden Bereichen:

  • Selbst-, Fremdwahrnehmung,
  • Selbstbehauptung,
  • Umgang mit Gefühlen,
  • Umgang mit Stress und Angst,
  • Kommunikation und Interaktion,
  • Konstruktive Konfliktlösung,
  • Widerstand gegen Gruppendruck,
  • Entscheidungsfindung und Zielearbeit.

Nach dem Jugendforscher Richard Lerner hat jedes Kind und jeder Jugendliche im Prinzip das Potential, sich erfolgreich, gesund und positiv zu entwickeln, und dieses Potential gilt es zu entdecken und zu fördern.[4] Das bedeutet einen lebenslangen Prozess aktiver Entwicklungsregulation, was er als „Thriving“ bezeichnet: gedeihen, blühen, sich entwickeln, Erfolg haben.

Es meint einen Veränderungsprozess, in dem Jugendliche in den Erwachsenenstatus mit positiver psychosozialer Anpassung hineinwachsen. Schulerfolg, Hilfsbereitschaft, psychische Gesundheit, eine ausgeprägte Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, Wertschätzung von Unterschiedlichkeit und angemessene Strategien zur Bewältigung von Problemen sind die Messlatte von positiver Entwicklung der Jugendlichen im Sinne von Thriving.

3. Positive Psychologie

Es geht nicht mehr nur darum, Schäden zu begrenzen – und von<
minus acht auf minus zwei der Befindlichkeitsskala zu kommen,
sondern wie wir uns von plus zwei auf plus fünf verbessern können.
Martin P. Seligman

Der Definition nach ist die Positive Psychologie eine von Martin Seligman begründete wissenschaftliche Richtung der Psychologie zur systematischen Erforschung von psychologischen, sozialen und gesellschaftlichen (Glücks-) Faktoren gelingenden Lebens. Sie verfolgt nicht alleinig, Defizite, belastende Dinge wie Depression, Schizophrenie, Traumata, Schmerzen zu heilen, sondern sie will die vorhandenen Ressourcen beim Menschen aufdecken und seine Stärken entdecken. Wenn diese dem Menschen bewusst sind, ist es ihm möglich Veränderungsprozesse zu gehen. Es geht um einen lösungsorientierten Ansatz.

Der Kern der Positiven Psychologie basiert auf 6 Bereiche, denen jeweils Eigenschaften zugeteilt sind, die je nach Person verschieden stark ausschlagen und gelebt werden.

Weisheit und Wissen

  1. Neugier
  2. Liebe zum Lernen
  3. Urteilsvermögen
  4. Einfallsreichtum
  5. Soziale Intelligenz
  6. Perspektive

Mut

  1. Tapferkeit
  2. Ausdauer
  3. Integrität

Menschlichkeit und Liebe

  1. Freundlichkeit
  2. Lieben

Gerechtigkeit

  1. Gemeinschaftssinn
  2. Fairness
  3. Führungsvermögen

Maßigung

  1. Selbstkontrolle
  2. Besonnenheit
  3. Demut

Transzendenz

  1. Wertschätzung und Schönheit
  2. Dankbarkeit
  3. Hoffnung
  4. Spiritualität
  5. Vergebung
  6. Humor
  7. Begeisterung

In der bisherigen Theorie des „Authentischen Glücks“ von M. Seligman war Glück das Hauptthema, Lebenszufriedenheit der Maßstab und zunehmende Lebenszufriedenheit das Ziel.

Bereits 2010 hat er drei Dinge daran kritisiert:[5]

  1. Der Begriff Glück sei missverständlich, werde oft nur positiv verstanden und suggeriere, dass fröhlich sein und Freude haben, automatisch Glück bedeute.
  2. Die privilegierte Rolle der Lebenszufriedenheit.
  3. Glück und glücklich sein können sich nicht allein aus positiven Emotionen, Erleben von Stärke und Sinn konstituieren, sondern müssen auch noch durch andere Faktoren beeinflusst werden.

In seinem Buch „Flourish“ erklärt M. Seligman nun sein Abweichen von der bisherigen Vorstellung von Glück: „Meine ursprüngliche Sichtweise kam dem Monuismus von Aristoteles am nächsten – nämlich dass alles, was wir tun, darauf abzielt, uns glücklich zu machen. Allerdings verabscheute ich das Wort ´Glück´, welches dermaßen strapaziert worden ist, dass es praktisch bedeutungsleer wurde. Es ist ein unbrauchbarer Begriff für die Wissenschaft oder für jedes andere praktische Unterfangen wie etwa Erziehung, Gesellschaftspolitik oder die bloße Veränderung des persönlichen Lebens.“[6]

Er entwickelte daraus seine Theorie des Wohlbefindens und schlägt eine Formel vor, die jene Faktoren zusammenfasst, die Wohlbefinden bestimmen und zunehmendes Aufblühen von Menschen ermöglichen sollen:

1. Positive Emotionen → nach Barbara Fredrickson braucht der Mensch positive Emotionen, im Verhältnis 3:1.
2. Engagement → Menschen werden zufriedener und können aufblühen, wenn sie ihre Stärken leben
     und sich für ihr Engagement einsetzen.
3. Sinn → Menschen brauchen Sinn und Bedeutung, die sie am besten durch Projekte erfahren,
     die etwas größer seien als sie selber.
4. Beziehungen → Menschen brauchen Beziehungen, um sich wohlzufühlen.
5. Zielerreichung → Menschen fühlen sich wohl, wenn sie erfolgreich sind, was sie durch das Verfolgen
     eines Ziels erreichen.[7]

Es geht darum, wie wir eingebettet in unser soziales Umfeld, eine wirkliche, tiefe Lebensfreude finden können und ein wirklich lebenswertes Leben schaffen. So beschreiben B. Fredrickson, F. Huppert und C. Keyes den Begriff des Aufblühens, „Flourishing“.

Diese Faktoren sind objektiv erfassbar, messbar, weitestgehend voneinander unabhängig und daher besser für die Forschung einsetzbar.

Die Botschaft der Positiven Psychologie lautet also: Wir können uns in einem gewissen Ausmaß glücklicher machen, auch wenn wir nicht in der Lage sind, all unser Leid zu beseitigen.

Aber – auch das betont Seligman – wir müssen uns unser Glück erarbeiten. Vergnügen und Zufriedenheit stellen sich erst ein, wenn wir vorher bestimmte Eigenschaften in uns mobilisiert haben wie Willenskraft, Mut, Intelligenz und Charakterstärke. In der Positiven Psychologie nach Seligman ist der Begriff des guten Charakters von zentraler Bedeutung.

4. Die Verbindung von Sozialem Lernen und Positiver Psychologie

Eins unserer gemeinsamen Ziele als Erwachsene ist, dass die Kinder und Jugendlichen zu glücklichen und verantwortungsvollen Menschen heranwachsen, die Verantwortung übernehmen und mit ihrer gesamten Persönlichkeit voll im Leben stehen. Dazu benötigen sie bestimmte Qualitäten, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Charaktereigenschaften, Stärken und Kompetenzen.

Auf dem Weg dorthin gilt es, wesentliche Lebenskompetenzen („core lifeskills“) zu entwickeln. Damit sind intra- und interpersonale Kompetenzen gemeint, die die Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnen, die Kinder und Jugendliche befähigen mit altersadäquaten Herausforderungen und Aufgaben des täglichen Lebens umzugehen:[8]

  • Treffen von verständnismäßigen Entscheidungen,
  • konstruktiv und kreative Problemlösung,
  • Besitz von kommunikativen Fähigkeiten,
  • Fähigkeiten zur Selbstwahrnehmung, Stressbewältigung und im Umgang mit Emotionen,
  • Empathiefähigkeit,
  • Etablieren und Aufrechterhalten von tragfähigen zwischenmenschlichen Beziehungen.

Abhängig vom jeweiligen sozialen Kontext und den gegebenen Umweltbedingungen der Heranwachsenden ist es mehr oder weniger von Bedeutung diese life-skills zu trainieren. Eine sichere Umwelt, Anregungen zur Kompetenzförderung, Möglichkeiten der Partizipation und die Freiheit von Vorurteilen und Diskrimination sind Voraussetzungen für eine positive Kinder- und Jugendentwicklung.[9] Um Ziele zu erreichen und Herausforderungen zu meistern, müssen Stärken, positive Emotionen und positive Beziehungen aktiviert werden. Hier gibt es einen Zusammenschluss zwischen der Vermittlung von Lebenskompetenzen (Soziales Lernen) und dem Einsetzen der Elemente der Positiven Psychologie. Glück, Optimismus, Geborgenheit, Vertrauen, Verzeihen, Solidarität gehören für M. Seligman zu den Werten, die den Menschen stärken und sie gehören dazu, um Lebensziele zu erreichen und eine aktive Lebensgestaltung zu erreichen.

Die im Folgenden aufgezeigten Glücksaktivitäten nach Lyubomirsky[10] sind Methoden, Möglichkeiten, Beiträge, die im Rahmen des Trainings und der Entwicklung von Lebenskompetenzen Bestandteile sein sollten:

  • Ausdrücken von Dankbarkeit,
  • Pflegen von Optimismus,
  • Vermeiden von Grübeln und sozialen Vergleichen,
  • Setzen von Zeichen der Hilfsbereitschaft,
  • Pflegen von sozialen Beziehungen,
  • Entwicklung von Bewältigungsstrategien,
  • Lernen zu vergeben,
  • Fördern von Flow-Erlebnissen,
  • Genießen der Freude des Lebens,
  • Festlegen von Zielen,
  • Praktizieren von Religion und Spiritualität,
  • Achten auf den Körper (Sport, Meditation, Bewegung).

Kinder und Jugendliche, die daraufhin arbeiten, den positiven Aspekt des Lebens zu sehen, ihre eigenen Stärken wahrzunehmen, auf soziale Beziehungen zu achten und sich am eigenen Erfolg freuen können, haben gut handhabbare und effektive Möglichkeiten in der Hand, um mit Problemen, kritischen Situationen und Misserfolgen konstruktiv umzugehen und alternative Lösungsmöglichkeiten zu finden.

5. Altersspezifische Besonderheiten und Beziehungsarbeit

Die Häufigkeit von kleinen, positiven Interaktionen
ist wichtig für den Erhalt einer Beziehung.[11]

Ein wesentlicher inhaltlicher Aspekt in «Leos Welt» ist die Gestaltung der Beziehungsarbeit und der Umgang des Kindes mit sich selbst.

Jedes Kind ist in seiner psychischen, körperlichen und geistigen Entwicklung und auch in der sozialen und emotionalen Intelligenz unterschiedlich weit entwickelt. Daher ist ein differenziertes pädagogisches Vorgehen notwendig. Es gilt, das Kind in seiner aktuellen Zone der Entwicklung anzusprechen, um es zur nächsthöheren zu fördern. Die Kinder bringen entsprechend ihrer Entwicklungsstufe individuelle Lebenserfahrungen und Kompetenzen mit. Aus dem bisherigen Zusammenleben mit ihren erwachsenen Bezugspersonen haben sie unterschiedliche Bindungserfahrungen, die ihre Erwartungen und ihr Verhalten gegenüber den neuen LehrerInnen und ErzieherInnen, sowie gegenüber den in der Schule gestellten Anforderungen beeinflussen. „Als Grundlage für psychisches Wohlbefinden und eine unbelastete Entwicklung ist eine sichere Bindung zur Mutter oder den wichtigsten Bezugspersonen ausschlaggebend. Die Forschung über Schutzfaktoren (Resilienzforschung) hat gezeigt, dass insbesondere positive frühe Bindungserfahrungen dafür sorgen, spätere Belastungen und Herausforderungen besser bewältigen zu können. Eine sichere Bindung führt zu einer positiveren Selbstwahrnehmung und stellt eine innere Ressource (Stärke, Energie, Kraft oder Fähigkeit) dar, die es den Kindern in der Zukunft erlaubt, konstruktive Lösungswege für Konflikte und Problemthemen zu finden. Sie schafft emotionale Stabilität und ermöglicht Empathie (Einfühlungsvermögen).“[12]

Familiäre Schutzfaktoren, der Erziehungsstil, ein positives Klima und ein guter familiärer Zusammenhalt beeinflussen entscheidend die frühkindliche Entwicklung. Der Beziehungs-, Bindungs- und Erziehungsqualität kommt hierbei eine größere Bedeutung zu als dem sozioökonomischen Status des Kindes.[13]

In der bisherigen Umsetzung des Programms und im Rahmen der Praxisbegleitung der Lehrpersonen konnten wir feststellen, dass die Kinder mit Bindungs- und Beziehungsstörungen, mit Migrations- und bildungsfernem Hintergrund in den Klassen zahlenmäßig zugenommen haben. Vor allem ist dieses Bild in städtischen Bereichen mit sog. sozialen Brennpunkten zu verzeichnen.

Kinder und Jugendliche in Familien mit Schwierigkeiten weisen vorrangig folgende Probleme auf:

  • negative Emotionen,
  • Mangel an ICH-Stärke, Motivation und Flow,
  • wenige und inadäquate Erfolgserlebnisse,
  • Sinnverlust,
  • Negative Dynamiken und Muster,
  • inadäquate Lösungsversuche mit entsprechender Eskalation.

„Problemkinder, Problemfamilien haben Defizite in den von der Positiven Psychologie erarbeiteten Glücks- und Wohlbefindensdimensionen.“ [14]

Das Anwenden von Positiven Interventionen kann in Kopplung mit Lebenskompetenztraining (Sozialem Lernen), haltgebender, grenzsetzender, vertrauensvoller und wahrhaftiger Umgebung zu einer ICH-Stärkung und einem stärkeren Selbstkonzept und mehr Selbstwirksamkeit führen.

Positive Interventionen, die in der Psychotherapie zum Einsatz kommen, können abgewandelt für den schulischen Kontext im Rahmen unseres „Lebensfach Glück & Verantwortung“ angewendet werden:

  1. Hilfe beim Umdeuten von sozialen Situationen, bei Problemlagen, zwischenmenschlichen Konflikten
  2. Verhaltensanleitungen für
    • positives emotionales Erleben i.S. von 3 Blessings (nach B. Fredrickson) = z.B. tägliches Benennen von drei Dingen, die gut gelaufen sind,
    • das Erreichen von gesetzten Zielen,
    • das Umsetzen von guten Taten,
    • Erleben von sozialen Beziehungen innerhalb der Peers,
    • aktiv-konstruktives Reagieren auf Herausforderungen (wie z.B. Mannschaftssport),
    • Wahrnehmen von Erfolgen und Errungenschaften
  3. Fördern von neuen positiven Verhaltensmustern.[15]

Unter Berücksichtigung der Besonderheit der Altersgruppe fünf- und sechsjähriger Kinder, bei denen das Spiel im Vordergrund steht, setzen wir die Figur des Löwen «Leo» als Puppe ein.

«Für das Kind gibt es keine scharfe Trennungslinie zwischen leblosen Gegenständen und lebendigen Wesen. … Für das Kind, das die Welt zu begreifen sucht, ist es durchaus vernünftig, Antworten von den Dingen, die seine Neugier wecken, zu erwarten. Und da das Kind ichbezogen ist, erwartet es vom Tier, dass es über die ihm wirklich wichtigen Anliegen spricht – so wie die Tiere im Märchen und wie das Kind selbst sich mit seinen lebendigen Tieren oder seinen Spieltieren unterhält. Das Kind ist überzeugt, dass das Tier es versteht und mit ihm fühlt, auch wenn es das nicht offen zeigen kann.»[16]

Das Spieltier Leo ist das Symbol dieser speziellen Stunden und als Identifikationsfigur der Kinder zu sehen. «Leo» begleitet die Kinder und auch die Lehrerin und die Eltern durch das Programm. Der Löwe «Leo» steht als Symbol für Stärke, Mut und Überlegenheit. Durch sein kuscheliges Fell kann er auch Wärme spenden. Die Löwen beschützen ihre Jungen in besonderer Weise, was die Kinder der heutigen Zeit in verstärktem Maße unbedingt brauchen. Der Löwe ist der König der Tiere und wird in Fabeln als kluges, meist faires, den Überblick behaltendes Tier dargestellt. Löwe «Leo» soll die Kinder auf ihrem Weg des Stärker Werdens und in der Gruppe als Beschützer, Berater und Tröster begleiten, denn der Weg kann mitunter holprig und beschwerlich sein. Leo kann die Seelen der Kinder streicheln.

Das Programm berücksichtigt besonders die veränderte Lebenssituation des Kindes in der 1. Klasse, nämlich den Übergang vom Vorschul- zum Schulkind. Der Beginn dieses neuen Lebensabschnittes für das Kind bedeutet für uns Erwachsene sensibel darauf einzugehen, was die Kinder bewegt und ihnen zu helfen diesen Weg zu gehen.

Die Kinder stehen vor veränderten Herausforderungen:

  • Neue Kinder kennen lernen und Umgang mit den Kindern in der neuen Gruppe;
  • Schule als Ort mit vielen Bezugspersonen, die sie erst kennen lernen müssen, um zu vertrauen und sich wohlfühlen zu können;
  • ein veränderter Tagesablauf;
  • die spielerischen Tätigkeiten rücken zunehmend in den Hintergrund und das formale Lernen wird an dessen Stelle treten.

Nachdem die SchülerInnen sich beim und nach dem Einschulungsfest mit ihrer Umgebung in der Schule und Klasse vertraut gemacht haben, wird angestrebt, gemeinsame Regeln des Zusammenlebens zu erarbeiten. Diese Regeln kehren in Ritualen immer wieder. Durch das Leben von Ritualen in der Gemeinschaft können auch Normen gesetzt und gefestigt werden.

In den Jahrgängen 2 und 3 setzt das Programm seinen Schwerpunkt in der spielerischen und aktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Person, sowie mit den sozialen Beziehungen. Für Kinder werden soziale Vernetzungen und auch Freundschaften zunehmend wichtiger. Die Geschlechterrollen werden intensiver gelebt, was dann zu mehr Konflikten und Verwirrungen führen kann. Hierfür sollen die Kinder ein Handwerkzeug erhalten, um mit diesen Situationen entsprechend umgehen zu können.

In der 4. Klasse verlieren die Kinder zunehmend das Verspielte und wenden sich mehr der verbalen Ausdrucksform zu. Deswegen rückt innerhalb des Programms die Identifikationsfigur in Form der Handpuppe «Leo» immer weiter in den Hintergrund. Die Kinder lernen nun das Mädchen Fanni und den Jungen Flo kennen, die den Kindern in realitätsbezogenen Geschichten die Inhalte nahe bringen. In dieser Altersgruppe streben die Kinder mehr nach selbständigem und eigenverantwortlichem Handeln. Die Inhalte der Streitschlichtung, des Klassenrates und erlebnispädagogische Ansätze fließen zunehmend in das Programm ein.

6. Struktur und der »Rote Faden«

Für jede thematische Einheit liegt eine grundlegende Ausarbeitung über einen Zeitraum von jeweils ein bis zwei Unterrichtsstunden vor. Je nach der entsprechenden Klassensituation kann die vorgegebene Grundstruktur abgewandelt und entsprechend angepasst werden. Die vorgeschlagenen Inhalte und Bausteine sind nicht Eins-zu-Eins umsetzbar, sondern sind mit Blick auf die jeweilige Situation vor Ort, die Klassensituation und die jeweiligen Personen kreativ anzupassen und zu verändern.

Den einzelnen Unterrichtsbausteinen ist eine Sammlung von weiteren Ideen und Anregungen angefügt. Diese vielfältigen Möglichkeiten stellen Anregungen dar, um die Basislektionen – je nach den besonderen Bedürfnissen der Kinder, der Klasse und der Schule – zu erweitern und zu vertiefen.

Das soziale Training mit «Leos Welt» ist stark strukturiert. Es ist angedacht, die inhaltliche Umsetzung als Ritual für die Kinder in ihrem Schultag zu entwickeln. Rituale vermitteln, vor allem auch bei Übergängen, Geborgenheit, Halt, initiieren und stabilisieren Interaktion und Kommunikation.

Im Rahmen von «Leos Welt» spielen Rituale eine wesentliche Rolle hinsichtlich

  • der Strukturierung des sozialen Lernens in der Unterrichtsstunde,
  • einer verlässlichen Orientierung in der «Leo»-Stunde,
  • der Gliederung des Schulalltags, um ihn auch mit Spannung zu füllen und jedem Einzelnen einen Halt geben zu können.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgende Stundenstruktur:

A) Leos Fitmacher
Beginn der Stunde mit

  • Zeit zur Besinnung im Morgen- und Gesprächskreis;
  • sensomotorischen Übungen (Tasten/Fühlen, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Körperübungen, Improvisationsspiele);
  • Stille, spüren erleben und üben;
  • Phantasiereisen und Zeichnen;
  • Entspannung.

B) Was Leo heute beschäftigt
Im weiteren Verlauf führt die Handpuppe «Leo» die Kinder mit einer Geschichte zum jeweiligen Themenschwerpunkt der Stunde. Damit wird Leo für die Kinder lebendig. Leo lebt mit und durch die Kinder. Er spricht sie mit ihren eigenen Themen an. Durch die Geschichten können sich die Kinder eher der Thematik öffnen, zudem sie auch direkt mit in das Spiel einbezogen werden.

C) Wir arbeiten mit Leo
Als nächsten Schwerpunkt finden wir in den Stunden die Aktivitäten zum Thema. Hier gehen die Kinder auf vielfältige Art und Weise einzelne Schritte des sozialen Lernens:

  • die Arbeit auf der jeweiligen Beziehungsebene;
  • Techniken der Verhaltenssteuerung;
  • der Umgang mit sich selbst und den anderen;
  • kooperative Handlungen;
  • verschiedene Lerntechniken.

D) Leos Abschluss
Die Handpuppe «Leo» reflektiert für die Kinder und mit den Kindern am Ende der Stunde über das Verhalten, das Ergebnis des Gelernten, der Befindlichkeiten, der Stimmungen und der Gefühlslagen.


[1] angelehnt an Prof. Dr. Matthias Jerusalem (Humboldt-Universität Berlin)

[2] Edelstein, Wolfgang: Vortrag zum Thema «Soziale Kompetenz und demokratische Erziehung». Gehalten im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin an einer gemeinsamen Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Berliner Vorhabens im BLK-Modellprogramm am 22.11.2005

[3] ebenda

[4] Lerner, R. et al., 2002 in Weichhold, K.; Silbereisen, R. Positive Jugendentwicklung und Prävention.

[5] nach Streit, P.; Koordinator von Seligman Europe

[6] Seligman, M. Flourish. Wie Menschen aufblühen. Kösel-Verlag München, 2011, S. 25

[7] ebenda. S. 34

[8] Weichhold, K.; Silbereisen, R. Positive Jugendentwicklung und Prävention.

[9] ebenda.

[10] aus: The How of Happiness. 2007

[11] Positive Psychologie im Klassenzimmer. Spiele und Aktivitäten für die Grundschule. iskopress, Salzhausen, 2004

[12] Prof. G. Lehmkuhl auf der Homepage der Stiftung „Achtung! Kinderseele!“

[13] aus: Bericht über die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen des Robert-Koch-Instituts. 2004

[14] ppp von Dr. Philip Streit, Institut für Kinder, Jugend und Familie

[15] angelehnt an Dr. Philip Streit

[16] Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen. München: DTV Deutscher Taschenbuch, 1980.


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